Zusammenfassendes Protokoll der Besprechung am Freitag 28.04.23, TUM, Oettingenstr. 15

Anwesend: Barbara Beckett, Norbert Bergmann, Arnulf Dähne, Thomas Danzl, Dörthe Jakobs, Roland Lenz, Jan Raue, Ursula Schädler-Saub, Matthias Staschull, Nadia Thalguter, Wanja Wedekind.

Thomas Danzl, Inhaber des Lehrstuhls für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft an der TUM, begrüßte als Hausherr die Teilnehmer*innen der AG Konservierung-Restaurierung in der Oettingenstr. 15 in München. Er berichtete über die immer noch schwierige Situation am Lehrstuhl, der nun der School of Engineering and Design der TUM zugeordnet ist, mit den Restaurator*innen zwischen Wünschen und Vorstellungen der Architekten und der Ingenieure. Es entspannte sich eine lebhafte Diskussion über den Stellenwert der Denkmalpflege und der Materialkunde bei den Architekten und dem daraus resultierenden Umgang mit Baudenkmalen sowie zur Rolle der Restaurator*innen in diesem Kontext. Einig war man sich, dass auch angesichts des Klimawandels und des mehr denn je notwendigen sparsamen Umgangs mit den Ressourcen eine neue Strategie der Reparatur erforderlich sei. Die AG will sich engagieren, um Kenntnis und Aktualität traditioneller Baumaterialien und Reparaturtechniken zu fördern, für die es leider keine Lobby gibt, trotz langjähriger Vorarbeit, welche die Restaurierung auf diesem Gebiet geleistet hat und immer noch leistet.

Ursula Schädler-Saub begrüßte die Kolleg*innen zu diesem ersten Präsenztreffen der AG-Mitglieder nach den Jahren der Pandemie und richtete Grüße von Mitgliedern aus, die aus verschiedenen Gründen leider nicht am Treffen teilnehmen konnten.
In reger Diskussion mit allen Anwesenden wurden – den TOPs der Tagesordnung folgend –Informationen zu folgenden Themen ausgetauscht und Festlegungen getroffen:
• Neue Website der AG Konservierung-Restaurierung (die gesamte Website von ICOMOS Deutschland wird derzeit neu konzipiert): Die Gliederung soll sich an die bereits bestehende anlehnen, aber kürzere Texte und mehr Fotomaterial enthalten, damit Text und Bild in übersichtlicher Weise parallel geführt werden. Für ältere Materialien, Fotos und Informationen soll es einen Archivbereich geben. Alle Mitglieder erhalten in den kommenden Tagen einen aktualisierte Strukturübersicht zur Homepage, sie werden darum gebeten, zeitnah zu Welterbestätten in Deutschland Fotos und Dokumente zur Restaurierung an Ursula Schädler-Saub und Nadia Thalguter zu schicken (sehr gerne auch Fotos mit Restaurator*innen vor Ort), ebenso Hinweise auf Tagungen und Publikationen, die mit der Tätigkeit von ICOMOS und der AG zusammenhängen und für die Welterbestätten relevant sind.
• Eine klare und knappe Definition der Tätigkeiten der AG Konservierung-Restaurierung ist auch in Hinblick auf die Homepage der AG und ihre Außenwirkung wichtig, um das Profil in Bezug auf andere AGs und Vereinigungen der Konservierung-Restaurierung zu schärfen. Hier eine Zusammenfassung der wesentlichen Aufgabenbereiche: Die AG berät in allen Belangen der Welterbestätten in Deutschland, welche die Konservierung-Restaurierung betreffen; ein besonderes Anliegen sind ihr dabei Monitoring, Wartung und Pflege sowie die Erforschung und Dokumentation historischer Materialien und Techniken, der Restaurierungsgeschichte, des Erhaltungszustandes und der heutigen Präsentation und Vermittlung; die AG kooperiert mit anderen Institutionen bei der Veranstaltung von Fachtagungen zu aktuellen Fragen der Konservierung-Restaurierung, einschließlich der Publikation von Tagungsakten.
• Die AG will sich verstärkt um neue Mitglieder aus allen Bereichen der Konservierung-Restaurierung bemühen, die für die Erhaltung von Welterbestätten und somit für die Denkmalpflege insgesamt relevant sind. Das betrifft auch den Bereich der organischen Materialien, d.h. historisches Kunst- und Kulturgut wie Gemälde auf textilem Träger, gefasste und veredelte Holzobjekte etc. Es gibt keine Beschränkung der Mitgliederanzahl in der AG. Eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist die Bereitschaft, sich aktiv einzubringen und bestimmte Aufgaben zu übernehmen, z. B. Mitwirken bei der Konzeption und Organisation von Veranstaltungen, bei der Betreuung der Homepage usw. Der Name der AG belegt, dass alle Fragen und Herausforderungen der Konservierung-Restaurierung, die an Welterbestätten auftauchen, zur beratenden Tätigkeit der AG gehören.
• Die Zusammenarbeit der AG mit der Monitoring-Gruppe von ICOMOS Deutschland soll im Sinne einer vorbildhaften Betreuung der Welterbestätten intensiviert werden. Das betrifft allgemein die interdisziplinäre Beratung vor Ort, ebenso die fachspezifische Beratung bei komplexen restauratorischen Fragen, dazu insgesamt einen besseren Austausch mit der Monitoring-Gruppe und ihren Mitgliedern.
• Kooperation der AG Konservierung-Restaurierung mit dem ICOMOS ISC Mural Painting: Barbara Beckett berichtete kurz, dass sich nach der Neugründung des ISC Mural Painting noch keine neuen Initiativen und Projekte entwickelt haben, alles ist sehr ruhig. Eine Kooperation mit der AG Konservierung-Restaurierung z. B. beim Ausrichten einer Tagung, wäre wünschenswert.
• Wanja Wedekind berichtete von der Tätigkeit des sehr aktiven ICOMOS ISC for Stone. Er leitet dort die AG Education. Im ISC for Stone findet derzeit u.a. eine kritische Evaluation wissenschaftlicher Methoden und Techniken der Konservierung in Bezug auf die Praxis statt, um Naturwissenschaftler*innen und Restaurator*innen besser zusammenzubringen. Evaluiert werden Maßnahmen am Stein der vergangenen 50 Jahre.
• Das Thema Restaurierung und Denkmalpflege im Krieg ist leider aktueller denn je, auch wenn die Hilfe vor Ort insbesondere in der Ukraine aber auch in anderen Ländern wie z. B. im Irak oft nur sehr eingeschränkt möglich ist, wie Wanja Wedekind kurz berichtete.So findet hauptsächlich die Implementierung einer Software zur Erfassung der Schäden vor Ort statt, außerdem wird Verpackungsmaterial für museales Gut sowie große Planen u.ä. für geschädigte Baudenkmale zur Verfügung gestellt. Ein ausführlicherer Bericht von York Rieffel wurde auf das nächste Treffen verschoben.
• Jan Raue berichtete von einer geplanten Tagung an der FH in Potsdam, Thema „Conservation and Resilience“, die im Juli 2024 stattfinden soll. Im Kontext von Entwerfen, Bauen und Erhalten geht es dabei um die Sustainability der Ressource Denkmal und um eine Stärkung der Belange von Restaurierung und Denkmalpflege, zusammen mit dem Institut Bauforschung und Bauerhaltung. Bei diesem äußerst aktuellen Thema wird eine Kooperation mit der AG Konservierung-Restaurierung von allen Anwesenden sehr begrüßt.
• Dörthe Jakobs wies darauf hin, dass restauratorische Beiträge für die Jahrestagung der Vereinigung der Denkmalfachämter, Mannheim, 9.-12. Juni 2024, sehr wünschenswert wären. Zum Thema „Denkmalpflege und Partizipation“ läuft noch der Call for Papers.
• Ursula Schädler-Saub berichtete von einer möglichen, sehr wünschenswerten Kooperation der AG Konservierung-Restaurierung mit dem Hornemann Institut der HAWK bei der interdisziplinären Tagung am 9.11.23 in Hildesheim, anlässlich der 25jährigen Jubiläums des Instituts. Das Thema lautet „Aus Rot wird Schwarz – und dann? Pigmentveränderungen an Kunst- und Kulturgut“; Mitglieder der AG Konservierung-Restaurierung sind als Referentinnen mit dabei. Die Kooperation zwischen Hornemann Institut und AG Konservierung-Restaurierung wird von allen Anwesenden sehr begrüßt. Es wird einvernehmlich beschlossen, die eintägige Fachtagung in Hildesheim mit dem nächsten Treffen der AG Konservierung-Restaurierung zu verbinden, halbtägig entweder am Mittwochnachmittag 8.11.23, oder am Freitagvormittag, 10.11.23. Die AG ist dann zu Gast bei der HAWK, Barbara Beckett wird sich um geeignete Räumlichkeiten für das kurze Treffen kümmern.

Auf das Treffen folgte am 29.04.2023 ein Studientag in München, in Form eines Stadtspaziergangs, zum Thema „Kirchenmalergestaltungen und Restaurierungen der Wiederaufbauphase an Münchner Sakral- und Profanbauten – Denkmalwürdigkeit und Erhaltungsmaßnahmen“

Kurze Zusammenfassung der Besichtigungen in München, Lehel und Altstadt, am Samstag, 29.04.23

Die Besichtigungstour durch das frühlingshaft sonnige München war dank der äußerst kenntnisreichen und spannenden Führung von Thomas Danzl sehr anregend und mit vielen Diskussionen verbunden.
Zu Beginn führte er in die vielschichtige Debatte des Wiederaufbaus von München nach den gravierenden Zerstörungen des 2. Weltkriegs ein, die maßgeblich von den Architekten Hans Döllgast, Karl Meitinger und Joseph Wiedemann geprägt war. Man entschied sich weitgehend dafür, in der Münchner Altstadt und im Lehel die historischen Stadtstrukturen, Bebauungslinien und Bauvolumina zu bewahren, mit in Form und Materialwahl angepassten Ersatzbauten. Damit sollte die Atmosphäre des historischen Münchens bewahrt bleiben, auch wenn de facto ein Großteil der historischen Bauten verloren war. Ruinöse Bauten, für deren Abbruch man sich staatlicherseits bereits ausgesprochen hatte, wurden dank bürgerschaftlichen Engagements und einzelner Architekten erhalten – als Beispiele seien die Münchner Residenz und das vom Architekten Erwin Schleich gerettete Preysing-Palais genannt.

Der Wiederaufbau, oft im Geiste der „schöpferischen Denkmalpflege“ von Rudolf Esterer praktiziert, zog sich teils in mehreren Etappen über viele Jahrzehnte hinweg, manchmal sogar bis zur Jahrtausendwende. Hier spielten Kirchenmaler und akademisch ausgebildete Maler eine tragende Rolle, darunter insbesondere Karl Manninger (1912-2002) als Nachschöpfer barocker Deckengemälde und Raumausstattung, teils zusammen mit seinem Schüler Hermenegild Peiker. Zu nennen sind zudem etliche Künstler und Professoren der Münchner Akademie, welche die Münchner Tradition der Fassadenmalerei und die Freskotechnik wiederaufleben ließen. Darunter waren auch politisch belastete wie Hermann Kaspar, der zur Kulturprominenz der Nationalsozialisten gehört hatte und seine Arbeit nach dem 2. Weltkrieg nahtlos fortführen konnte, mit zahlreichen Aufträgen, darunter eine Fassadenmalerei für das Gebäude des Kulturreferats in der Burgstraße. Immerhin erhielt auch ein Künstler wie Richard Seewald, dessen Werk von den Nationalsozialisten als „entartet“ gebrandmarkt worden war, in den 1960er Jahren den Auftrag für die Fassadenmalereien in den Arkaden des Hofgartens. Zu nennen sind außerdem die vereinfachten Formen der Gestaltung von Putzfassaden, welche die „Urbs picta“ der Nachkriegszeit häufig charakterisieren, darunter die schlichten aufgemalten oder in den Putz geritzten Rastergliederungen, teils verbunden mit figürlichen Szenen und Inschriften zur Erinnerung an Zerstörung und Wiederaufbau.

Wie ist es mit dem Denkmalschutz für diese historischen Zeugnisse des Wiederaufbaus bestellt? Die meisten Bauten fallen zwar unter den Ensembleschutz, sind aber keine Einzeldenkmale – die Gefahr besteht, dass in den kommenden Jahren noch viel verloren geht oder zumindest stark überformt wird. Selbst wenn Architekturoberflächen und Wandmalereien der Nachkriegszeit erhalten werden, ist dies oft eine Tätigkeit von Malerfirmen, denen es an Sachkenntnis in Bezug auf die historische Materialität und die Bewertung des Erhaltungszustandes fehlt.
Im Folgenden seien zumindest einige der zahlreichen Beispiele des Wiederaufbaus unserer Münchner Besichtigungstour kurz aufgelistet, beginnend mit den Kirchen: die Klosterkirche St. Anna im Lehel, barock wiederauferstanden mit den Deckengemälden von Karl Manninger (1972) nach C. D. Asam (1729); die purifizierende Neugestaltung des Kirchenraums der neuromanischen Pfarrkirche St. Anna, die keine nennenswerten Kriegsschäden erlitten hatte, aber neben Übertünchungen und Beseitigungen des historistischen Bestandes immerhin eine freskale Ausmalung zweier Seitenkapellen im Eingangsbereich durch Anton Greiner erhielt (1962); Alt-St. Peter, für dessen Wiederaufbau sich die Münchner Bürgerschaft und insbesondere Rudolf Esterer und Erwin Schleich engagierten, mit rekonstruierten Deckengemälden, im Langhaus, die erst im Jahr 2000 von Hermenegild Peiker abgeschlossen wurden; die stark zerstörte Heilig Geist-Kirche, deren Innenraum mit Ausstattung in mehreren Etappen unter Leitung von Erwin Schleich wiederhergestellt wurde. Zur Besichtigungstour gehörten viele Fassadenmalereien, u.a. im Lehel sowie in der Residenzstrasse, in der Burgstrasse und im Bereich des wiederaufgebauten alten Rathauses, dazu der Hofgarten mit seinen Arkaden und abschließend der Alte Hof mit seiner abstrahiert vereinfachten Quadermalerei und älteren Beständen („Affenturm“, Fassadenmalerei an der Westseite des Innenhofs) sowie den nicht unumstrittenen ergänzenden Neubauten.

Zum Schluss ein herzliches Dankeschön für diese wunderbare Führung an Thomas Danzl sowie an Nadia Thalguter, die sich maßgeblich für die Organisation des Treffens eingesetzt hat!

Für das Protokoll
Ursula Schädler-Saub
Mai 2023

(Alle Fotos: U. Schädler-Saub)
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Abb. 1: Mitglieder der AG Konservierung-Restaurierung vor der barock wiederaufgebauten Fassade der Klosterkirche St. Anna im Lehel, München

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Abb. 2: Mitglieder der AG Konservierung-Restaurierung vor der Gedenkkapelle an die Zerstörungen des 2. Weltkriegs in der Klosterkirche St. Anna, mit einem Wandbild des zerstörten Münchens
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Abb. 3: Klosterkirche St. Anna, nachschöpferisch wiederhergestelltes Deckenfresko von Karl Manninger (signiert mit der Jahreszahl 1972) nach C. D. Asam (1729)
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Abb. 4: Pfarrkirche St. Anna im Lehel, Teilansicht der rechten Seitenkapelle mit Fresken von Anton Greiner, 1962
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Abb. 5: Ebenda, Mitglieder der AG Konservierung-Restaurierung beim Betrachten der freskalen Ausmalung von Anton Greiner in der linken Seitenkapelle
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Abb. 6: Ebenda, Seitenapsis im Chorraum mit Mosaikgestaltung der 1930er Jahre, die angrenzenden, ehemals bemalten Architekturoberflächen im Zuge des purifizierenden Wiederaufbaus übertüncht
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Abb. 7: Fassadengestaltung des Wiederaufbaus in der Bürkleinstraße im Lehel, München, mit bemaltem Erker
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Abb. 8: Die wiederaufgebauten Hofgartenarkaden in München, mit Wandmalereien zum Thema griechische Landschaften und Stätten der Antike von Richard Seewald, 1961
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Abb. 9: Thomas Danzl erläutert den Mitgliedern der AG Konservierung-Restaurierung den Wiederaufbau der Residenzstraße in München mit den Fassadengestaltungen (links eine Teilansicht der Residenz, rechts Feldherrnhalle und Preysing-Palais)
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Abb. 10: Ein Gebäude des Wiederaufbaus der 1950er-60er Jahre in der Residenzstraße in München, mit einer zeittypischen, moderat modernen Fassadenmalerei
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Abb. 11: Alt-St. Peter in München, Informationstafel mit Fotografien der Zerstörungen des Kirchenbaus und seiner Ausstattung im 2. Weltkrieg
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Abb. 12: Alt-St. Peter in München, der Kirchenraum nach Osten, mit den nachschöpferisch wiederhergestellten Deckenfresken im Langhaus von Hermenegild Peikter, abgeschlossen im Jahr 2000
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Abb. 13: Heilig-Geist-Kirche in München, Blick vom nördlichen Seitenschiff nach Südosten, mit dem rekonstruierten Deckenstuck, dazu im Mittelschiff die von Karl Manninger nachschöpferisch wiederhergestellten Deckenfresken von Asam – die Deckenfresken in den Seitenschiffen (noch) nicht wiederhergestellt
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Abb. 14: Altes Rathaus und Marienplatz in München, hier: Blick auf den Turm des Alten Rathauses, von Erwin Schleich 1971-74 unter Bezug auf den gotischen Ursprungsbau (und nicht auf den Vorkriegsbestand) wiederhergestellt, mitsamt einer vereinfachten Fassadenmalerei; links ein vereinfacht wiederaufgebautes Bürgerhaus
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Abb. 15: Burgstraße in München, Teilansicht der Fassadenmalerei von Hermann Kaspar aus dem Jahr 1953, an einem als Verwaltungsbau wiederaufgebauten Bürgerhaus (heute Kulturreferat der Stadt München)
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